Über die Rolle als Freiwilliger

Wenn ihr für meinen Freiwilligendienst spendet, dann geht das Geld nicht an das Projekt, also das Krankenhaus von Sopachuy. Nicht direkt zumindest. Das Geld wird, in absteigender Reihenfolge der Höhe der Anteile, für Unterkunft und Verpflegung, Seminare und pädagogische Betreuung, mein monatliches Taschengeld, meinen Versicherungsschutz, Verwaltungskosten und meinen Sprachkurs ausgegeben. Zumindest laut Zahlen von Volunta.

Betreibe ich dann überhaupt Entwicklungshilfe? Es fließt ja kein Geld direkt an das Projekt. Richtig, aber mit dem Geld wird meine Grundversorgung in Bolivien gesichert, so dass ich mich dort ohne Not meiner Arbeit im Krankenhaus widmen kann. Und wie meine Arbeit dort aussehen wird, das kann ich euch noch gar nicht sagen. Ich werde sehen, wo ich mich einbringen kann. Nach allem was ich gehört habe, werde ich im Krankenhaus von Sopachuy jedoch weitaus mehr lernen als ich während meiner Sanitäterausbildung gelernt habe. Ich darf also gespannt sein.

Mit dem Begriff „Entwicklungshilfe“ möchte ich eigentlich gar nicht so um mich schmeißen. Darin steckt nämlich der Anspruch, dass ich irgendwie höher entwickelt sei als die Menschen in Sopachuy. Dass sie ganz viel von mir zu lernen hätten. Das stimmt vielleicht auch, doch ich werde auch einiges von ihnen zu lernen haben. Wir sprechen in Europa gerne von Nachhaltigkeit, aber Bolivien ist der Nachhaltigkeit unter der Regierung Morales mit dem Prinzip des „vivir bien“ sehr nahe gekommen, wie ich meine, während bei uns wieder einige Politiker überlegen, die Energiewende zu stoppen, was mit Nachhaltigkeit wenig zu tun hat. Genau wie es derzeit überhaupt keine nachhaltigen Ansätze für die Lösung der Eurokrise zu geben scheint.

Als Freiwilliger in Bolivien sind mir viele Stolpersteine in den Weg gelegt. Auf beiden Seiten, deutsch und bolivianisch, existieren Vorurteile, die es zu überwinden gilt. Das heißt auch Völkerverständigung und ist auf jeden Fall etwas, dass ich in Bolivien erreichen will. Gegenseitige Akzeptanz, gegenseitiger Respekt statt Misstrauen und/oder Überheblichkeit.

Ich bin in Sopachuy nicht der erste deutsche Freiwillige (zusammen mit meinen zwei Kolleginnen), wohl aber der erste Freiwillige von Volunta. Lange vor mir haben sich schon die Josefsschwestern aus Trier engagiert, haben das Krankenhaus und den Comedor aufgebaut. Deshalb werden sicher gewisse Erwartungen an mich gestellt. Ich will diese Erwartungen erfüllen, und vor allem will ich auch meinem Nachfolger (im Bildungsjahr 2013/2014) eine gute Arbeitsgrundlage bilden. Denn wenn ich Mist baue, dann war es das mit der Zusammenarbeit zwischen dem Hospital Sopachuy und HI Bolivia resp. Volunta.

Somit komme ich zum nächsten Punkt. Ich habe natürliche ein Interesse daran, dass der Projektort Sopachuy erhalten bleibt. Denn hätte es ihn nicht gegeben (und gleiches gilt für den ebenfalls neuen Projektort Monteagudo), so hätte ich bei Volunta keine Chance auf einen IJFD in Bolivien gehabt. Und das hätte für mich bedeutet:

  • keine Gelegenheit mir vor dem Studium eine dritte Fremdsprache anzueignen
  • keine Gelegenheit vor dem Studium im Ausland Erfahrung zu sammeln
  • keine Gelegenheit, 11 Monate lang so selbstständig zu leben wie ich es vorher nie getan habe

Viele aus meinem Jahrgang haben beschlossen, nach dem Abitur ein Jahr „Lücke“ zu machen. Damit meine ich eine Lücke in unserem Bildungs-/Lebensweg in Deutschland, der, teils durch Gesetze, teils durch Erwartungshaltungen der Mitmenschen, ziemlich vorstrukturiert ist. Und ich „verliere“ durch meinen Freiwilligendienst auch kein Jahr. Ich bin ein Gegner von G8, also dem Gymnasium in 8 Jahren, weil ich der Meinung bin, dass damit den Schülern zu viel aufgelastet wird und sich der Gewinn in Grenzen hält. Durch meinen IJFD erwarte ich jedoch, sehr viel zu gewinnen. Es ist ein Entwicklungsdienst, der vor allen Dingen mich selbst entwickeln soll, so kann man es auch in der offiziellen Beschreibung nachlesen.

Aber natürlich gebe ich mich damit nicht zufrieden. Ich bin zu Gast in einem tollen Land und in einer (laut dem, was ich gehört habe) tollen Familie. Und ich werde mir alle Mühe geben, ihnen etwas zurückzugeben.